Analbeutelkarzinom- Therapieversuch trotz ungünstiger Prognose?
erstellt am 9. Februar 2023


Im aktuellen Fallbericht über Sunny, einer neunjährigen Labradordame, erhältst Du einen Einblick über die verschiedenen Therapie- und Managementoptionen bei einem Analbeutelkarzinom und natürlich auch über mögliche Komplikationen im weiteren Verlauf. Der gesamte Fall wurde bildlich dokumentiert.
Inhaltsverzeichnis:
- Vorbericht
- Klinische Untersuchung und Diagnostischer Plan
- Chirurgischer Therapieverlauf mit Exstirpation des linken Analbeutels
- Chemotherapeutische Behandlung
- Regelmäßige Kontrollen
- Weiterer Therapieverlauf
- Fazit
Vorbericht
Am 16.05.2019 wurde die Labrador Retriever-Hündin Sunny bei uns vorstellig aufgrund des Verdachts auf ein Analbeutelkarzinom. Sunny, die am 07.04.2010 geboren wurde, erhielt regelmäßig eine Physiotherapie aufgrund einer bekannten Coxarthrose. Im Rahmen eines Behandlungstermins stellte die Physiotherapeutin eine Umfangsvermehrung im Afterbereich fest. Daraufhin erfolgte eine Punktion durch die Haustierärztin, die anhand des histologischen Befundes maligner tumoröser Zellen die Verdachtsdiagnose eines Analbeutelkarzinoms stellte. Impf- und Entwurmungsstatus befanden sich auf einem aktuellen Status. Sunny bekam zu diesem Zeitpunkt ein speziell auf ihre Blasenfunktion abgestimmtes Futter aufgrund von Struvitsteinen. Den Besitzern waren keinerlei weitere Vorerkrankungen ihrer Hündin bekannt.
Klinische Untersuchung
In der allgemeinen klinischen Untersuchung zeigte sich Sunny aufmerksam und munter. In Einklang mit den physiologischen Befunden eines guten Ernährungs- und Pflegezustandes und eines ungestörten Allgemeinbefindens lag ihre Körpertemperatur bei 38,1°C.
Bei der Untersuchung von Haaren, Haut und Unterhaut sowie der Lymphknoten konnten keine Abweichungen von den Normalbefunden festgestellt werden. Sunnys Schleimhäute wiesen eine rosa Farbe auf und die kapilläre Füllungszeit lag bei unter zwei Sekunden. Die Puls- & Herzfrequenz konnten jeweils mit 112 Schlägen die Minute gemessen werden und die Gefäßfüllung sowie –spannung waren gut. Bei der Untersuchung des Atmungsapparates gab es auch keine abweichenden Befunde und die Atemfrequenz betrug 16 Atemzüge pro Minute.
Bei genauer Betrachtung des Digestionsapparats fiel nach der Untersuchung des physiologisch weichen und nicht druckdolenten Abdomens rektal eine Umfangsvermehrung des linken Analbeutels auf, die ein Volumen von ca. 4 x 4 x 4 cm umfasste und von einer verdickten Analbeutelwand bedeckt war. Außerdem wies Sunny einen mittelgradig ausgeprägten Zahnstein auf.
Diagnostischer Plan
Die Ursachen für die rektal festgestellte Umfangsvermehrung sollten durch eine spezielle klinische Untersuchung und Laboruntersuchungen eingegrenzt werden. Die möglichen beteiligten Problemkreise sollten durch eine komplette Untersuchung des Organsystems einschließlich Ultraschall- und Röntgenuntersuchung abgeklärt werden. Alternativ dazu hätte eine symptomatische Behandlung durchgeführt werden können, jedoch entschieden sich die Halter für eine problemorientierte Diagnostik und Operation.
In der röntgenologischen Untersuchung konnte im Abdomen ein mit Gas und Kot gefülltes Colon nachvollzogen werden, wodurch der Verdacht auf eine Koprostase gestellt werden konnte. Als Nebenbefunde konnten eine mittelgradige Spondylose von Th 4/5, L 6/7 und L 7/S 1 sowie eine geringgradige Spondylose von L 3/4 festgestellt werden. Bei der Ultraschalldiagnostik der gesamten Bauchhöhlenorgane zeigten sich sonografische Normalbefunde.
Chirurgischer Therapieverlauf
Exstirpation des linken Analbeutels
Wegen des Verdachts auf ein Analbeutelkarzinom der linken Seite wurde bei Sunny die operative Entfernung des betroffenen Analbeutels vorgenommen. Aufgrund der orientierenden Herzkreislaufuntersuchung gemäß ASA, der Allgemeinuntersuchung und der bereits haustierärztlich durchgeführten Blutuntersuchung wurde Sunny als narkosefähig eingestuft.
Für die Exstirpation erfolgten die Darstellung des Analbeutels und eine perineale Hautinzision ca. 6 cm von der Zona cutanea entfernt über dem linken Analbeutel. Daraufhin wurden eine stumpfe Präparation des Tumors und die anschließende Exzision von diesem vorgenommen. Der Analbeutel wurde mit seinem Ausführungsgang stumpf freipräpariert und der Gang mit einer Ligatur versehen. Darauffolgend wurden eine Wundspülung sowie ein schichtgerechter Wundverschluss durchgeführt. Es gab keinerlei Komplikationen bei der OP und die Aufwachphase gestaltete sich regelgerecht, dennoch wurde Sunny zur Beobachtung für eine Nacht stationär aufgenommen. Die Prognose insgesamt konnte aufgrund des Verdachts auf Malignität, der durch die zytologische Untersuchung der Haustierärztin entstand, als vorsichtig eingestuft werden. Für die genaue Diagnose wurde die Umfangsvermehrung zur histo-pathologischen Untersuchung eingesandt.
Postoperative Versorgung
Am folgenden Tag war die OP-Wunde geringgradig gerötet und es bestand eine Umfangsvermehrung medial der Naht, was ein Serom oder ein Teil des Anus darstellen könnte. Sunny zeigte bislang keinen Kotabsatz und einen Pain Score von 1.
Mit der Medikation Metacam – als Schmerzmittel und Entzündungshemmer – und Lactulose – zur Erleichterung des Kotabsatzes – wurde Sunny bei gutem Allgemeinbefinden und relativer Beschwerdefreiheit in die Obhut ihrer Familie entlassen, die Sunnys Bewegung möglichst ruhig halten und eine faserreiche Diät anbieten sollte. Den Body bzw. Halskragen sollte Sunny als Leckschutz bis zum Ziehen der Fäden in zehn Tagen behalten. Der weitere Plan bestand darin, die klinische Kontrolle am nächsten Tag durch den Haustierarzt erfolgen zu lassen, ebenso wie das Fädenziehen. Zur Nachsorge sollte Sunny wieder bei uns in zwei Wochen vorgestellt werden.
Komplikation nach Exstirpation
Im weiteren Verlauf zeigte Sunny beim Kotabsatz Blutbeimengungen und ihre Kothaufen waren laut den Besitzern extrem groß und fest. Am dritten Tag nach der Analbeutelexstirpation wurde die Labradordame daher wieder bei uns vorstellig, da sie seit dem Morgen zunehmend blutigen Sekretabfluss aus dem After aufwies.
Sunnys Vitalparameter lagen während der Untersuchung in der Norm und die Wunde der Operation befand sich in einem trockenen, mittelgradig geröteten und geschwollenen sowie geringgradig dolenten Zustand. Die rektale Palpation war unauffällig, jedoch konnte auf 9 Uhr im Bereich der Analrosette eine oberflächliche, ca. 0,5 cm große Schleimhautwunde lokalisiert werden. Daraufhin erfolgte eine Wundreinigung und eine analgetische Abdeckung von Sunny mit Metamizol.
Am nächsten Tag erfolgte die Reevaluation der Wundsituation durch die Chirurgische Abteilung und es wurde eine Antibiose (Synulox 500 mg) über fünf Tage und eine analgetische Behandlung mit Metamizol bei Bedarf verordnet.
Histopathologisches Ergebnis und deren Konsequenz
Der Bericht der histopathologischen Untersuchung ergab leider den Befund eines stark invasionsaktiven Adenokarzinoms der apokrinen Analbeuteldrüsen mit teils deutlich nachweisbaren Lymphgefäßeinbrüchen. Die Prognose wurde daher als extrem vorsichtig bis langfristig eher ungünstig eingeschätzt – trotz der vollständigen Exzision des Tumors – da anhand der zahlreichen Gefäßeinbrüche und der Invasionsaggressivität eine metastatische Ausbreitung als möglicherweise bereits stattgehabt angesehen wurde. Aufgrund der Diagnose eines Analbeutelkarzinoms wurde den Besitzern zu einer Chemotherapie nach abgeschlossener Wundheilung der aktuellen Exstirpationswunde geraten. Die Mittlere Überlebenszeit (MÜZ) mit Chirurgie, Bestrahlung und Chemotherapie würde für den vorliegenden Fall bis zu zwei Jahren betragen. Für die Chemotherapie würde Carboplatin 280-300 mg/m2 KOF über 20 Min. im Rahmen von fünf Applikationen im Abstand von drei bis vier Wochen infrage kommen. Alternativ könnte Melphalan (Alkeran) und Metacam angewendet werden. Sunnys Besitzerfamilie entschied sich letztlich für die adjuvante Chemotherapie mit Carboplatin.
Chemotherapeutische Behandlung (Teil 1)
Am 07.06.2019 konnte dann nach einer klinischen Allgemeinuntersuchung und Analyse des Blutstatus die erste von fünf chemotherapeutischen Sitzungen gestartet werden. Dabei wurden 280-300 mg/m2 KOF Carboplatin über 20 Min. i.v. verabreicht. Als Ergänzung zur Chemotherapie wurde an die Besitzerin
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Mona-Christien Buschow (ehem. Starick)Oberärztin Innere Medizin
und Kolleg:innen
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