Erworbene Okklusionsstörungen bei der Katze

erstellt am 19. Dezember 2022

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Fachbeitrag
Ein Beitrag von  Magdalena Kollowa & Dr. Silke Viefhues, Ahlen

Magdalena Kollowa hat ihr Tiermedizinstudium 2011-2017 an der TiHo Hannover absolviert. Danach war sie zwei Jahre in der Kleintierklinik Scholten tätig. Seit 2019 ist sue leitende Assistenzärztin in der Anicura Tierklinik Ahlen. Aktuell befindet sie sich in Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung „Zahnheilkunde beim Kleintier“ mit Teilnahmen an internationalen Fortbildungen wie ESAVS Dentistry. Magdalena Kollowa ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde (DGT).,  AniCura Ahlen auf VetStage
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Bewegungseinschränkungen des Kiefers können durch vielfältige Ursachen entstehen. Das feline Gebiss hat eine enge Verzahnung, wodurch lediglich Scharnierbewegungen möglich sind. Störungen des Kiefers beziehungsweise des Kiefergelenks stehen meist in direkter Verbindung zu der Okklusion. Auch eine dadurch resultierende, fehlerhafte Verzahnung führt zu Kieferschlussproblemen. Okklusionsstörungen bei der Katze sind, mit Ausnahme von brachyzephalen Rassen, meistens erworben, selten angeboren.

In diesem Artikel soll ein kurzer Überblick über die möglichen erworbenen Ursachen gegeben werden.

1. Kiefergelenkluxationen

Kiefergelenkluxationen können uni- oder bilateral sein, sind bei Katzen vor allem traumatisch bedingt und teils mit Kieferfrakturen einhergehend. In der Regel erfolgen sie unilateral und mit einer Luxation des Unterkiefercondylus nach rostrodorsal. Aber auch eine kaudoventrale Luxation ist möglich. Anatomieauszug: Das Kiefergelenk (Articulatio temporomandibularis) ist die Verbindung des Unterkiefers (Caput mandibulae und Ramus mandibulae) mit dem Oberkiefer (Os maxillare). Die Fossa mandibularis ist von zwei Erhebungen begrenzt (mesial das Tuberculum articulare und caudal der Processus retroarticularis). Diese halten den Processus condylaris in Position (siehe Zeichnung).

Bei der Katze ist das Kiefergelenk nahezu kongruent. Die klinischen Symptome bei einer Kiefergelenkluxation sind vielfältig, aber meist zeigen betroffene Katzen ein Unvermögen des vollständigen Kieferschlusses mit Deviation des Unterkiefers inklusive Mittellinienverschiebung zur gesunden Seite. Eine Sicherstellung der Diagnose erfolgt durch eine Computertomographie des Kopfes. Eine Röntgenuntersuchung ist nicht ausreichend, denn zusätzlich zu der Bestätigung einer Luxation dient die Computertomographie zum Ausschluss von begleitenden Kieferfrakturen. Bei einer rostrodorsalen Luxation verklemmt sich der Processus condylaris mandibulae vor dem Tuberculum articulare und das Caput mandibulae ist somit nach rostral gerutscht.

In den meisten Fällen ist eine geschlossene Reposition möglich: An der betroffenen Seite wird ein Bleistift (am besten hexagonal im Querschnitt) oder eine Spritze zwischen die hinteren Backenzähne gelegt. Dieser dient als Hebel (Hypomochlion). Durch Druck auf den rostralen Kiefer (Zusammenführung des Ober- und Unterkiefers) wird der Gelenkkopf aus seiner dorsalen Verlagerung geholt. Anschließend wird der Hebel gedreht, um die Rückverlagerung des Kiefers zu ermöglichen (Abb. 1). Bei einer Luxation nach kaudoventral ist häufig der Processus retroarticularis der Kiefergelenkpfanne frakturiert, weshalb eine alleinige Repositionierung (Abb. 1) nicht zielführend ist. Eine Luxation nach kaudoventral ohne einen frakturierten Processus retroarticularis ist selten, da dieser zu lang ist, als dass das Caput mandibulae nach caudal rutschen könnte. Hier muss bei einer Fraktur also zusätzlich eine Immobilisierung des reponierten Kiefergelenks mittels Verblockung der Ober- und Unterkiefercanini erfolgen, damit eine Dislokation verhindert wird (Abb. 2 a-c). Die Verblockung sollte 7-14 Tage verbleiben. Eine längere Verblockung ist nicht ratsam, da sich sonst Kiefergelenkankylosierungen bilden können. Bei komplizierten Luxationen nach rostrodoral ist ebenfalls eine Verblockung in der Heilungsphase ratsam.

Eine nicht starre Fixierung mittels Tape-Maulkorb ist eine Alternative zur starren Fixierung, wird aber von Katzen meist deutlich schlechter angenommen. Je schneller die Behandlung erfolgt, desto weniger fibröses Gewebe sammelt sich im Gelenkspalt und desto besser ist die Prognose. Generell ist die Prognose einer Kiefergelenkluxation ohne zusätzliche Frakturen als günstig zu sehen.

2. Kiefergelenktraumata

Bei Kiefergelenktraumata muss zunächst unterschieden werden, ob eine Fraktur des Kiefergelenks vorliegt oder nicht. Stumpfe Traumata verursachen Hämatome und Schwellungen, welche selbstlimitierend sind. Kiefergelenkfrakturen sind hingegen komplizierter. Eine klinische Differenzierung ist nicht einfach, da sich auch unter Schwellungen Frakturen verbergen können. Bei Unklarheiten ist eine weitere Diagnostik mittels Computertomographie unumgänglich (Abb. 3). Eine Kiefergelenkfraktur muss mittels Verblockung der Ober- und Unterkiefercanini temporär immobilisiert werden, um eine Dislokation zu verhindern. Diese Methode wurde bereits im Abschnitt „Kiefergelenkluxationen“ ausführlich beschrieben.

3. open-mouth jaw locking (OMJL)

Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer Kiefersperre mit offenem Maul infolge einer Verlagerung des Processus coronoideus mandibulae nach ventrolateral und einer somit entstehenden Verhakung am Processus zygomaticus des Oberkiefers. Typischerweise tritt diese Verblockung nach Gähnen, ausgiebiger Fellpflege oder Vokalisationen auf. Die Kiefersperre zeigt keinen Zahn-an-Zahn Kontakt. Dies ist ein wichtiges Kriterium zur Unterscheidung von einer Kiefergelenkluxation, denn hierbei zeigen die Katzen einen Zahn-an-Zahn Kontakt. Neben der Kiefersperre, die in der klinischen Untersuchung oft nicht zu beheben ist, zeigen die betroffenen Patienten zudem einen Shift des Unterkiefers auf die betroffene Seite und Ptyalismus. Eine Schwellung im Bereich des Processus zygomaticus ist möglich. Spontane Repositionen sind sehr selten und gehen mit einem hörbaren „Klicken“ einher. Diese Erkrankung betrifft alle Altersklassen und S

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Magdalena Kollowa & Dr. Silke Viefhues, Ahlen

Magdalena Kollowa hat ihr Tiermedizinstudium 2011-2017 an der TiHo Hannover absolviert. Danach war sie zwei Jahre in der Kleintierklinik Scholten tätig. Seit 2019 ist sue leitende Assistenzärztin in der Anicura Tierklinik Ahlen. Aktuell befindet sie sich in Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung „Zahnheilkunde beim Kleintier“ mit Teilnahmen an internationalen Fortbildungen wie ESAVS Dentistry. Magdalena Kollowa ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde (DGT).

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