Odontogene Zysten bei brachyzephalen Rassen

erstellt am 14. November 2022

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Fachbeitrag
Ein Beitrag von  Magdalena Kollowa und Silke Viefhues, Ahlen.

Magdalena Kollowa hat ihr Tiermedizinstudium 2011-2017 an der TiHo Hannover absolviert. Danach war sie zwei Jahre in der Kleintierklinik Scholten tätig. Seit 2019 ist sue leitende Assistenzärztin in der Anicura Tierklinik Ahlen. Aktuell befindet sie sich in Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung „Zahnheilkunde beim Kleintier“ mit Teilnahmen an internationalen Fortbildungen wie ESAVS Dentistry. Magdalena Kollowa ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde (DGT).,  AniCura Ahlen auf VetStage
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Im Rahmen einer Allgemeinuntersuchung sollte immer auch auf die Zahnzahl geachtet werden. Eine gründliche Maulhöhlenuntersuchung, selbst bei einer einfachen Impfvorstellung, ist unerlässlich. Fehlende Zähne sind dabei keine Seltenheit und sollten ernst genommen werden. Die am häufigsten fehlenden Zähne sind die ersten Prämolaren (P1) im Unterkiefer. Ob der fehlende Zahn wirklich nicht angelegt oder nicht durchgebrochen (retiniert) ist, kann allein durch die klinische Untersuchung nicht festgestellt werden. Hierzu ist ein Dentalröntgen zwingend notwendig. Brechen Zähne nicht durch, so entstehen als Folge häufig Zysten. In diesem Artikel soll ein kurzer Überblick über Vorkommen retinierter Zähne und Entstehung odontogener Zysten sowie deren Behandlung aufgezeigt werden.

Odontogene Zysten

Odontogene Zysten sind im maxillofazialen und auch mandibulären Bereich liegende Zysten, welche aus Zahn oder Zahnbildungsorganen hervorgehen. Zysten sind als flüssigkeitsgefüllter pathologischer Hohlraum mit epithelialer Auskleidung definiert. Es gibt verschiedene odontogene Zystenarten. Eine der in der Humanmedizin am häufigsten vorkommende ist die radikuläre Zyste, die aufgrund einer avitalen Pulpa und der darauffolgenden Entzündung an der Wurzelspitze entsteht. Eine Residualzyste entsteht nach einer Zahnextraktion, wenn eine ursprünglich radikuläre Zyste nicht vollständig entfernt wurde. Der Name leitet sich aus dem lateinischen Wort „residiuum“ (Rest/ zurückbleibend) ab. Eine parodontale Zyste entsteht aus den Resten der Zahnleiste und liegt im interradikulären Bereich. Eine Dentitionszyste oder auch Eruptionszyste zeigt sich vor dem Zahndurchbruch als kleine Wölbung, da die Zahnanlage zwar aus dem Kieferknochen, aber noch nicht durch die Gingiva durchgebrochen ist. Deshalb kommt diese Zyste auch nur im Weichteilgewebe vor. Sehr häufig muss hier nicht chirurgisch interveniert werden, da die durchstoßenden Zähne die Zyste durchbrechen. Eine follikuläre Zyste entsteht aufgrund retinierter oder impaktierter Zähne. Als impaktiert wird ein Zahn bezeichnet, bei dem Wachstum und Durchbruch aufgrund eines anderen Zahnes behindert wird (Abb. 1 & 2).

Follikuläre Zysten

Die follikuläre Zyste ist eine zahnhaltige Zyste und entsteht aufgrund retinierter Zähne. Phylogenetisch zeigen vor allem die Unterkieferprämolaren eine Reduktionstendenz, aufgrund dessen sie besonders bei brachyzephalen Rassen häufig betroffen sind (z.B. Boxer, ca. 85 % der Population). Retiniert bedeutet, dass der Zahn angelegt ist, aber den Durchbruch komplett oder in Anteilen nicht schafft und somit in seiner mesenchymalen Hülle im Kieferknochen verbleibt - dem Zahnsäckchen. Das dadurch beim ausgebliebenen Zahndurchbruch nicht „abgestreifte“ Schmelzepithel bildet das Zystenepithel mit Zystenflüssigkeit. Die osmotisch wachsende Zyste ist zunächst schmerzlos. Beim Boxer mit retiniertem P1 im Unterkiefer führt dieser in 89 % der Fälle zur Zystenbildung. Es gibt verschiedene Formen und Lagebeziehungen zu dem Zahn der folllikulären Zyste. Die Formen sind in der Zeichnung verdeutlicht. (Abb. 2)

Nach Größenzunahme verdrängt die Zyste fortschreitend den Kieferknochen und führt zu einer Knochenresorption. Diese Größenzunahme und Kieferknochenvereinnahmung beeinflussen die Kieferknochenstabilität - die Patienten äußern Schmerzen, beispielsweise bei Ausführung des Schutzdienstes oder beim Kauen von harten Spielzeugen. Die Ursachen sind bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass aufgrund der bereits angesprochenen evolutionär gesehenen Reduktionstendenz der P1 zum Teil im Unterkiefer resorbiert wird, sodass ein regulärer Durchbruch nicht mehr möglich ist und sekundär eine Zystenentwicklung entsteht. Da es sehr häufig die brachyzephalen Rassen betrifft, muss auch das stark ausgebildete Frenulum labiale als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, welches den Zahndurchbruch des P1 hindert.

Diagnostik

Um einen fehlenden von einem retinierten Zahn zu unterscheiden, bedarf es weiterer bildgebender Diagnostik. Eine zahnmedizinische Röntgenaufnahme ist dabei ausreichend. Die Abbildungen 1-3 zeigen den Unterkiefer eines Boxers, der klinisch keinen P1 aufweist. Röntgenologisch stellt sich dieser retiniert und bereits mit Zystenbildung dar.

Beispiel 2 zeigt erneut das Gebiss eines Boxers (Abb. 7-10). Die Zahnzahl im linken Unterkiefer ist im Gegensatz zur rechten Seite nicht vollständig. Erst mittels Dentalröntgen kann der retinierte

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Autor:innen

Magdalena Kollowa und Silke Viefhues, Ahlen.

Magdalena Kollowa hat ihr Tiermedizinstudium 2011-2017 an der TiHo Hannover absolviert. Danach war sie zwei Jahre in der Kleintierklinik Scholten tätig. Seit 2019 ist sue leitende Assistenzärztin in der Anicura Tierklinik Ahlen. Aktuell befindet sie sich in Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung „Zahnheilkunde beim Kleintier“ mit Teilnahmen an internationalen Fortbildungen wie ESAVS Dentistry. Magdalena Kollowa ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde (DGT).

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