skip to Main Content
Die Erste Große Hürde Im Tiermedizinstudium: Der Numerus Clausus

Die erste große Hürde im Tiermedizinstudium: Der Numerus Clausus

Die Vergabe der Plätze für ein Tiermedizinstudium erfolgt in Deutschland zentral über das Online-Portal Hochschulstart.de. 20% der Bewerber werden allein nach ihrer Abiturbestnote ausgewählt. Doch ist das überhaupt rechtskonform? Wie am 4. Oktober 2017 auf br.de zu lesen war, vertreten Richter aus Gelsenkirchen die Ansicht, der Numerus Clausus sei rechtswidrig, da er die freie Berufswahl einschränkt und damit gegen das Grundgesetz verstößt. In Karlsruhe sollen Verfassungsrichter nun in den kommenden Wochen ein Urteil fällen.

 

Der gefürchtete „NC“

Der von Abiturienten gefürchtete Numerus Clausus für das Tiermedizinstudium lag im Wintersemester 2017/18 je nach Bundesland zwischen 1,0 für Bewerber aus Thüringen und 1,4 für Bewerber aus Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. 20% der 4.409 Bewerber wurden allein nach ihrer Abiturnote ausgewählt. Weitere 20% nach der Wartesemesterquote und nochmals 60% nach hochschuleigenen Kriterien. Am Ende bekam im Wintersemester 2017/18 nur jeder vierte Bewerber einen Studienplatz. Die übrigen Bewerber müssen sich nun auf lange Wartezeiten einstellen.

 

Ist die Auswahl nach der Abiturbestnote sinnvoll?

Eine Online-Abstimmung im oben genannten Artikel auf br.de zeigt eine deutliche Tendenz: 74% der 1.892 Abstimmenden sind der Meinung, der NC ist für das Fach Medizin nicht mehr sinnvoll. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Nicht nur eine gute Abiturnote macht einen guten Mediziner aus. Man könnte meinen, die Abiturnote gibt Auskunft über die Intelligenz, Disziplin und Fleiß des Bewerbers. In vielen Fällen kann sich aber hinter einer weniger guten Abiturnote ebenfalls ein begabter zukünftiger Arzt verbergen. Zweifelsohne sind Eigenschaften wie Disziplin und Fleiß wichtig, um ein Medizinstudium erfolgreich zu absolvieren. Aber in der Praxis sind am Ende auch logisches Denken, Stressresistenz, Gewissenhaftigkeit und natürlich eine große Portion Sozialkompetenz erforderlich. Auch eine gewisse Toleranz gegenüber seltsamen Gerüchen sowie Körperflüssigkeiten oder anderen Exkrementen muss vorhanden sein. Und eben das lässt sich leider nicht aus der Abiturnote ablesen.

 

Vergeudete Studienplätze

So kann es also passieren, dass Bewerber, die zwar einen beeindruckenden Abiturdurchschnitt von 1,0 aufweisen, trotzdem nicht für ein Medizinstudium geeignet sind. Höchstwahrscheinlich werden sie selbst das auch relativ schnell erkennen und ihr Studium abbrechen. Dennoch haben sie damit einem anderen, besser geeigneten Kandidaten, dessen Name noch immer auf der Warteliste versauert, den Platz und die Chance auf ein Studium „geklaut“. Wäre es daher nicht sinnvoll, das Auswahlsystem zu überarbeiten und gänzlich auf eine Zuteilung von Studienplätzen aufgrund der Abiturnote zu verzichten?

 

Wird die Abiturnote künftig keine Rolle mehr spielen?

Die Abiturnote komplett aus dem Auswahlsystem zu verbannen ist nicht zweckmäßig. Wenn sie auch keine Garantie für die Eignung zum Mediziner ist, so gibt sie trotzdem in vielen Fällen Aufschluss über die Bereitschaft und das Vermögen des Bewerbers fleißig zu lernen. Ein Modell, das die Abiturnote zwar berücksichtigt, Bewerber aber nicht allein auf Grundlage dieser auswählt, wäre denkbar. Der Medizinische Fakultätentag sowie der Bundesverband der Medizinstudierenden schlagen folgende Lösung vor: Alle Bewerber müssen ein zentrales Verfahren durchlaufen, bei dem für verschiedene Kriterien Punkte verliehen werden. Insgesamt sind maximal 100 Punkte zu erreichen. Die Abiturnote und ein Studierfähigkeitstest, der auch nichtschulisches Wissen bzw. Fähigkeiten abfragt, würden mit einem Maximum von jeweils 40 Punkten einfließen. Berufserfahrung in einem relevanten Bereich und eine Prüfung der sozialen Kompetenzen sollen je mit maximal 10 Punkten einbezogen werden.

 

Die Zukunft des Auswahlverfahrens

Eine Reform des Auswahlverfahrens für ein Medizinstudium ist sinnvoll, doch die Umsetzung nicht ganz einfach. Würde man nach dem oben beschriebenen Verfahren vorgehen, müsste man allein für die Tiermedizin 4.409 Bewerber zu einem Auswahltest einladen, für die Humanmedizin 43.184 Bewerber. Das könnte sowohl eine logistische als auch eine finanzielle Herausforderung darstellen. Außerdem müsste eine Lösung für gescheiterte Bewerber gefunden werden – soll weiterhin eine Warteliste bestehen oder soll ein erneuter Versuch für die Bewerbung komplett ausgeschlossen werden? Viele Fragen bleiben offen.

Das kommende Gerichtsurteil aus Karlsruhe zur Gesetzeskonformität des NC wird, egal wie es ausgeht, dennoch einen Schritt in die richtige Richtung darstellen: Die Öffentlichkeit wird auf das bestehende Problem aufmerksam gemacht und Bestrebungen, das Auswahlverfahren zu reformieren, erhalten neuen Aufwind.

 

 

Über die Autorin:

Lisa Rogoll | privates Foto

Lisa Rogoll | Studentin der Tiermedizin

Mein großes Interesse an Tieren begleitet mich schon seit ich klein bin. Der Wunsch Tierärztin zu werden erst seit einigen Jahren.
In verschiedenen Praktika im Kleintier- und Großtierbereich erlebte ich das erste Mal ein Berufsbild, das ich mir für mein restliches Leben vorstellen konnte: mein Wunsch Tierärztin zu werden manifestierte sich. Nach meinem Abitur begann ich 2015 das Studium in Berlin und erlebe seither die alltäglichen Veti-Sorgen. Nach wie vor fasziniert mich die Vielseitigkeit des Studiums und des späteren Berufslebens, sodass ich mir keinen „Plan B“ vorstellen kann.

Gast

Hierbei handelt es sich um einen Gastartikel. Informationen über den jeweiligen Autor / die jeweilige Autorin entnehmen Sie bitte dem Text.

Back To Top