Mit Online-Sprechstunden aufs richtige Pferd setzen
erstellt am 27. Mai 2023
Die Deutschen sind als besonders tieraffin bekannt. Laut
Statista leben in deutschen Haushalten allein über 10 Millionen
Hunde und fast 15 Millionen Katzen – Kaninchen, Meerschweinchen und
Kanarienvögel erfreuen sich ebenfalls großer Beliebtheit. Dazu
kommen Sport- und Freizeitpferde, Großtiere wie Schafe, Ziegen und
Rinder. Etwa 22.000 praktizierende Tierärzte in Deutschland kümmern
sich um deren Wohl, berichtet das Deutsche Tierärzteblatt im Jahr
2020.
Was uns als niedergelassenem Tierarzt fehlt, sind genügend
qualifizierte Mitarbeitende, die den Run auf die Sprechstunde, den
Bedarf an Operationen und vor allem die Notdienste zu stemmen. Kein
Wunder, dass die Stellenangebote „Tierarzt (m/w/d) für Praxis
gesucht“ oder „Wir suchen Sie – Tierklinik XY“ in einschlägigen
Jobportalen endlose Seiten füllen. Die Resonanz geht gegen
null.
Die Tiermedizin ist weiblich – ja und?
Darüber, wie das Problem der hohen Arbeitsbelastung respektive des Tierärztemangels gelöst werden könnte, wird in der Veterinärmedizin seit Längerem diskutiert. Mal sind die weiblichen Mitglieder der Zunft „schuld“, die mit Beginn der Familienplanungsphase oft für Jahre vom Arbeitsmarkt verschwinden. Schließlich schreibt das Mutterschutzgesetz vor, dass ab Feststellung der Schwangerschaft keine risikoträchtigen Tätigkeiten mehr erlaubt, sprich im Falle von Tierärztinnen in der Regel Tierkontakte zu vermeiden sind. Gerade Frauen überlegen es sich daher zweimal, ob sie eine Tierarztpraxis eröffnen oder eine leitende Funktion in einer Tierklinik übernehmen wollen. Ist ja spätestens als werdende Mutter sowieso alles erstmal gecancelt. Und 90 Prozent der Studienabgänger mit Examen in der Veterinärmedizin sind heute eben weiblich.
Work-Life-Balance? Fehlanzeige!
Dann wieder liegt es an der hohen Arbeitsbelastung – wir sprachen gerade davon –, dass sich junge Tierärztinnen und Tierärzte den Praxisdienst nicht mehr antun wollen. Durchaus verständlich. Was bei vielen als Wunschberuf begann, entpuppte sich erst im schweren Studium und anschließend beim Einstieg in die Arbeitswelt als ziemliche Schinderei. Irgendwann macht dann auch ein noch so großer Idealismus die viele Arbeit und den schmalen Verdienst nicht mehr wett. Da tauschen dann viele doch lieber den Arzt- mit dem Laborkittel und gehen in die Forschung, Industrie oder Veterinäramt – mit geregelten Arbeitszeiten, mehr Anerkennung im Job und langfristigen Perspektiven, auch nach der Elternzeit.
Die Lösung: Sprechstunden online anbieten
Höchste Zeit also, dass sich etwas tut. Als Inhaber der mobilen
Pferdepraxis Equiwell und aktiv in der Berufspolitik in Nordrhein
weiß ich, wo bei vielen von uns der Schuh drückt. Pferde sind meine
Leidenschaft. Ich lebe und arbeite seit über vier Jahrzehnten in
Deutschland, und die Tiermedizin ist mein Herzblut – und deshalb
gehe ich nun in die Offensive.
Telemedizin ist in meinen Augen das Mittel der Wahl, um
Tierarztpraxen und Tierkliniken zukunftsfähig zu machen. Nicht von
ungefähr ploppen in der letzte Jahre Online-Portale für
Video-Sprechstunden in der Tiermedizin wie Pilze aus dem Boden – ob
bei Start-ups, die von Betriebswirten geleitet werden, bei denen
die Qualität der Versorgung der Tiere immer im Vordergrund steht,
sei dahingestellt …
Von Telemedizin profitieren Mensch und Tier
Online-Sprechstunden haben das Potenzial, den hektischen
Praxisalltag zu entzerren: weg von übervollen Wartezimmern, langen
Konsultationen bei Bagatellfällen – Stichwort Flöhe – und dem
Ausreizen Deiner Multitasking-Fähigkeiten. Mit zusätzlich
angebotenen digitalen Sprechstunden wird wieder Raum und Zeit
geschaffen für das, was ursprünglich der Grund für Deine Berufswahl
war: erkrankten Tieren mit Deinem Fachwissen gut zu helfen. Wenn
tatsächlich nur noch diejenigen Tierpatienten in die Klinik oder
Praxis gebracht würden, die eine persönliche Untersuchung und
Diagnostik benötigen, wäre viel gewonnen. Denn sind wir mal
ehrlich: Viele Tierhalter benötigen einfach eine Beratung. Und das
braucht Zeit, die dann für andere Fälle fehlt.
Telemedizinische Angebote können also die Vor-Ort-Versorgung
sinnvoll ergänzen, indem mit den Tierhaltern am Smartphone oder
Tablet solche Fragen geklärt werden:
· „Kann es sein, dass mein Hund eine Futtermittelallergie hat? Er kratzt sich andauernd.“
· „Wie schlimm ist das, was ich bei meiner Katze gerade beobachte?“
· „Was kann ich tun, um meinem Liebling schnell zu helfen?“
· „Muss ich sofort mit meinem Kaninchen in die Tierklinik oder reicht es, wenn ich morgen zum Tierarzt in die Praxis gehe?“
Mindestens 75 Prozent der Fälle, die in Tierarztpraxen tagtäglich im Wartezimmer sitzen – oder wie in Corona-Zeiten bei Hitze und Kälte vor der Praxistür ausharren – sind nach Erfahrung vieler Kolleginnen und Kollegen Bagatellfälle. Erfahrene Tierärzte könnten hier auch am Bildschirm meist schnell einschätzen, ob sie den Tierbesitzern gezielte Maßnahmen empfehlen und ihnen erklären können, was zu tun ist, oder ob sie das kranke Tier in der Praxis oder im Stall sehen müssen. Dadurch werden nicht nur die Besitzer von Heimtieren, die in ihrer Sorge um den tierischen Liebling schnell Rat bekommen, sondern auch die Tierärzte entlastet.
Fazit: Wenn eine ambulante oder stationäre Behandlung eindeutig nicht notwendig ist, reicht der gute Rat vom (Tele-)Tierarzt – schnell, kompetent und: nach Gebührenordnung abrechenbar!
Ferndiagnose – (k)ein Schreckgespenst?
Sprechstunden per PC, Smartphone oder Tablet haben einen
unschlagbaren Vorteil: Du kannst mit Deinen Kolleginnen und
Kollegen gemeinsam angeboten erstellen und zeitlich völlig flexibel
vereinbart werden. Ob Du Dich mit anderen Tierarztpraxen vernetzen
oder Deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miteinbinden, bleibt
Dir überlassen.
Im Online-Kalender wird eingetragen, wer wann Video-Sprechstunden
anbieten möchte. Damit verteilt sich zum Beispiel die Last der
Notdienste auf viele Schultern – auch auf solche von Tierärztinnen
in Elternzeit, für die eine Begutachtung des Tierpatienten per
Smartphone-App auch während der Schwangerschaft oder Stillzeit
risikofrei möglich ist. Fütterungsberatung, Flohdiagnostik oder die
Nachsorge nach einer Beh
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Christian J. GabrielseEin interessanter Beitrag. Teile ihn jetzt mit deinem Netzwerk.