Fachbeitrag
Ein Beitrag von  Gaby Wyss, Dr.med.vet., Dipl ECVN, EBVSÒ
VetTrust-Tierklinik Basel
Bottmingerstrasse 65, CH- 4142 Münchenstein

Dr.med.vet. Gaby Wyss (-Flühmann) ist seit über 10 Jahren ausgebildete Spezialistin für Neurologie mit dem Titel Diplomate des European College of Veterinary Neurology (ECVN) und zertifizierte «European Veterinary Specialist™» in Neurologie. Seit ihrem Studienabschluss an der Vetsuisse Fakultät Bern im Jahr 2001, liegt ihr Fokus und ihre Leidenschaft in der Neurologie. Nach ihrer Doktorarbeit mit Schwerpunkt neurologische Erkrankungen beim Hund folgte ein Internship in Verhaltensmedizin und Innere Medizin an der University of Minnesota/USA. Danach kehrte sie in die Schweiz zurück und absolvierte ein 3-jähriges Ausbildungsprogramm zur Spezialistin in Neurologie, ein sogenanntes Residencyprogramm, bei Prof.André Jaggy (Vetsuisse Bern). Während dieser Zeit erweiterte sie ihr Wissen mit einer Osteopathie und Akupunktur Ausbildung. Nach Abschluss ihrer Spezialisierung arbeitete sie als Oberärztin der Abteilung Neurologie an der Vetsuisse Fakultät in Bern. Von 2009 bis 2018 war sie als Konsiliar-Ärztin am Tierärztlichen Überweisungszentrum in Tenniken/Schweiz tätig. Seit Eröffnung der Tierklinik Basel, VetTrust, im September 2018 ist Gaby Wyss dort Leiterin der Abteilung Neurologie und verantwortlich für alle neurologischen Patienten der Tierklinik Basel.,  VetTrust auf VetStage

Unterdiagnostiziert - Das Kognitive Dysfunktionssyndrom bei Hunden: Ein Überblick und was wir dagegen tun können

erstellt am 23. Dezember 2022

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Die stetigen Fortschritte in der Veterinärmedizin und Ernährungswissenschaft, sowie verbesserte Haltungsbedingungen führen dazu, dass unsere Haustiere ein höheres Alter erreichen. Dieser Umstand führt zu einem vermehrten altersbedingten Auftreten von Erkrankungen und hier gehören auch neurodegenerative Erkrankungen, wie das Kognitive Dysfunktionssyndrom (KDS), dazu. Das KDS, umgangssprachlich auch Altersdemenz genannt, ist eine ernstzunehmende Erkrankung und keinesfalls mit einer normalen Altersschwäche zu verwechseln.

Aber wieso spielt das eine Rolle- und wieso ist das wichtig zu wissen?

Weil es derzeit häufig unterdiagnostiziert wird und wir mit entsprechender Diagnose und Therapie etwas dagegen unternehmen können. Denn einmal diagnostiziert, kann die Lebensqualität merklich verbessert werden mit dem Ziel die Beziehung Mensch-Tier möglichst lange so normal wie möglich zu erhalten.

Das Kognitive Dysfunktionssyndrom ist eine unheilbare, fortschreitende, neurodegenerative Erkrankung. Klinisch zeichnet es sich aus durch eine progressive Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten im Verlauf des neurodegenerativen Prozesses. Der neurodegenerative Prozess entsteht unter anderem als Folge von beta-Amyloid Ablagerungen und führt zu einer kortikalen Atrophie, weshalb das KDS auch gerne mit der Alzheimer Erkrankung des Menschen verglichen wird (1-3). Eine genaue klinische und pathologische Korrelation konnte jedoch bei Hunden und anderen Tierarten bis jetzt nicht nachgewiesen werden. Zum Beispiel werden die sogenannten neurofibrillären Anhäufungen in Nervenzellen, welche zum typischen Bild der Alzheimer Erkrankung gehören, nur selten bei Hunden beobachtet. Während beta-Amyloid Ablagerungen um die Gefässe und als diffuse Platten beim älteren Hund beschrieben werden. Das Ausmass dieser Ablagerungen kann mit der Abnahme der kognitiven Funktion korrelieren. Es ist anzunehmen, dass die amyloiden Ablagerungen toxisch auf die Nervenzellen wirken und deshalb der normale Metabolismus der Nervenzellen nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Diesbezüglich konnte eine Korrelation zwischen Ablagerungen und reduzierter Anzahl Nervenzellen in gewissen Kernregionen nachgewiesen werden. Genau diese Läsionen werden als wichtiges Model für die Alzheimer Erkrankung betrachtet und wurden für experimentelle Behandlungen und Präventionsstudien genutzt.

Die Neurodegneration führt also zu einer Veränderung der Gehirnstrukturen mit einer Verkümmerung der Nervenzellen und damit zu einem Verlust der normalen Gehirnfunktion. Zusätzlich gibt es Hinweise für Entzündunserscheinungen und die vermehrte Freisetzung von freien Radikalen, die ihrerseits zu einer Schädigung und weiteren Degeneration von Gehirngewebe führen kann. Das Gehirngewebe ist besonders anfällig für Schädigungen durch freie Radikale. Schliesslich führen die veränderten Gehirnstrukturen zu einer Störung des Gleichgewichts zwischen den Neurotransmitter, welche für ein normales Verhalten im Alltag verantwortlich sind. (4,5,6)

Wie können wir eine Erkrankung am Kognitiven Dysfunktionssyndrom erkennen? Was ist mit veränderten kognitiven Fähigkeiten gemeint und wie werden sie definiert?

Wenn wir von kognitiven Fähigkeiten sprechen, beziehen wir uns auf die Aufmerksamkeitsspanne, die bewusste Wahrnehmung, das Erinnerungsvermögen und die Lernfähigkeit, die ein Individuum mit sich bringt.

Veränderungen der kognitiven Funktionen werden in Kategorien eingeteilt und unter dem Akronym DISHAA definiert: Desorientierung, veränderte soziale Interaktion, Veränderung des Schlaf-Wach-Zyklus, Verlust von erlernten Verhaltensweisen, Veränderung des Aktivitätsniveau und erhöhte Ängstlichkeit. Die nachfolgende Tabelle, modifiziert von Landsberg et al. 2017, beschreibt die Symptome der entsprechenden Kategorien (siehe Tabelle unten).

Die Prävalenz von KDS ist hoch bei alten Hunden. Mit einer geschätzten Prävalenz von 14.2-22.5% bei Tieren ab 8 Jahren (7). Andere Studien kamen zum Schluss, dass 23% der 11-12-jährigen Hunde und sogar 68% der Hunde zwischen 15-16 Jahren mindestens ein Symptom für KDS zeigten (8). Dabei können bei einem besonders schnellen Verlauf erste Anzeichen bereits im Alter von 6 Jahren auftreten. 

Mehrere Studien haben gezeigt, dass trotz der hohen Prävalenz, nur sehr wenige Besitzer die Symptome bei einem Tierarztbesuch von sich aus erwähnen. Dies könnte daran liegen, dass subtile Anzeichen nicht erkannt werden, als unbedeutend erscheinen oder dem Alter des Hundes zugeschrieben werden (9).

Um die Diagnoserate zu erhöhen, sollten Tierärzte die Hundehalter frühzeitig über die Bedeutung der Früherkennung und die mögliche Behandlung für die Aufrechterhaltung der Lebensqualität ihres Tieres aufklären. Grundsätzlich gilt, wie beim Menschen auch, je früher mit einer Therapie und unterstützenden Massnahmen begonnen wird, desto langsamer schreitet die Erkrankung fort.

Um die Symptome erfassen zu können und zu einer KDS-Diagnose zu gelangen, werden diagnostische Fragebögen verwendet. Davon sind jedoch nur wenige validiert worden, unter anderem die «canine cognitive dysfunction rating scale» (CCDR)(10) und die CAnine DEmentia Scale (CADES). Die CADES dient der quantitativen Erfassung der Häufigkeit von Verhaltensänderungen assoziiert mit dem KDS und wird von Tierärzten im Gespräch mit den Besitzern ausgefüllt. Es konnte aufgezeigt werden, dass CADES erfolgreich zur Klassifikation von 3 Stadien von kognitiver Beeinträchtigung genutzt werden kann: leicht, mittel- und schwergradig (11). Eine kürzlich veröffentlichte Studie hat zusätzlich den sogenannten «Sustained Gaze»-Test entwickelt, der von den Besitzern zu Hause mittels Videoaufnahmen durchgeführt werden kann (12).

Der erste Schritt liegt jedoch immer in einer Kontrolle bzw. Klärung anderer medizinischen Erkrankungen oder Verhaltensproblemen, die ihrerseits ähnliche Symptome verursachen können. Nicht spezifische klinische Anzeichen, Komorbiditäten der älteren Tiere assoziiert mit KDS-Symptomen können die Diagnose erschweren. Eine gründliche Evaluation anderer Ursachen einer intrakraniellen Pathologie bei älteren Tieren wie Tumore, metabolische, vaskulär-basierte und Bluthochdruck-assoziierte intrakranielle Erkrankungen sollten ausgeschlossen, beziehungsweise untersucht werden. Bei KDS erkrankten Hunden wird als weiterführende Diagnostik im MRT eine Hirnatrophie festgestellt. Es ist zudem bekannt, dass Zahnerkrankung sowie auch Gelenkserkrankung unter anderem durch Entzündungsmediatoren eine Demenzerkrankung begünstigen können (13). Das KDS ist eine Ausschlussdiagnose.

Die Früherkennung ist ein wichtiges Element, um ein rasches Fortschreiten zu verhindern   

Wir müssen uns bewusst sein, dass es keine Heilung für das KDS gibt. Der Verlauf wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dementsprechend gibt es auch verschiedene Therapieansätze, die im Fokus stehen. Das Hauptziel der Behandlung ist die Milderung der klinischen Symptome, die Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und die Verlangsamung der neurodegenerativen Prozesse. Die Früherkennung bietet uns die Möglichkeit, durch gezieltes Training, Nahrungsmittelergänzung und Medikamente das Fortschreiten der Erkrankung, wenn auch nicht aufzuhalten, zum

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Gaby Wyss, Dr.med.vet., Dipl ECVN, EBVSÒ
VetTrust-Tierklinik Basel
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Dr.med.vet. Gaby Wyss (-Flühmann) ist seit über 10 Jahren ausgebildete Spezialistin für Neurologie mit dem Titel Diplomate des European College of Veterinary Neurology (ECVN) und zertifizierte «European Veterinary Specialist™» in Neurologie. Seit ihrem Studienabschluss an der Vetsuisse Fakultät Bern im Jahr 2001, liegt ihr Fokus und ihre Leidenschaft in der Neurologie. Nach ihrer Doktorarbeit mit Schwerpunkt neurologische Erkrankungen beim Hund folgte ein Internship in Verhaltensmedizin und Innere Medizin an der University of Minnesota/USA. Danach kehrte sie in die Schweiz zurück und absolvierte ein 3-jähriges Ausbildungsprogramm zur Spezialistin in Neurologie, ein sogenanntes Residencyprogramm, bei Prof.André Jaggy (Vetsuisse Bern). Während dieser Zeit erweiterte sie ihr Wissen mit einer Osteopathie und Akupunktur Ausbildung. Nach Abschluss ihrer Spezialisierung arbeitete sie als Oberärztin der Abteilung Neurologie an der Vetsuisse Fakultät in Bern. Von 2009 bis 2018 war sie als Konsiliar-Ärztin am Tierärztlichen Überweisungszentrum in Tenniken/Schweiz tätig. Seit Eröffnung der Tierklinik Basel, VetTrust, im September 2018 ist Gaby Wyss dort Leiterin der Abteilung Neurologie und verantwortlich für alle neurologischen Patienten der Tierklinik Basel.

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