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Arbeitsbedingungen Angestellter Tiermediziner

Arbeitsbedingungen angestellter Tiermediziner

Dieser Artikel stammt aus dem Portal Vets Online.

Von Johanna Schmidbauer, Veterinärjournalistin

 

Eine konstant diskutierte Problematik in der Veterinärmedizin betrifft die Arbeitsbedingungen von praktizierenden TierärztInnen und insbesondere von angestellten Praktikern. Doch wie sieht die Realität im Praxisalltag angestellter TierärztInnen aktuell tatsächlich aus? Umfragen aus den Jahren 2016 und 2019 geben einen Eindruck hierzu und verdeutlichen die größten Schwierigkeiten.

Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) führte 2019 auf zwei Veranstaltungen eine Umfrage zur Entlohnung und den Arbeitsbedingungen angestellter TierärztInnen durch. Dabei ging es um die Umsetzung von Mindestempfehlungen der Tierärzteverbände bezüglich des Gehaltes, aber auch um die Wochenarbeitszeiten im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz. Von den insgesamt 418 Teilnehmenden waren 59% Angestellte und 41% Praxisinhaber. Die wichtigsten Resultate stellte Dr. Ulrike Schimmel im bpt-info 10/19 vor.

Eine weitere Umfrage wurde 2016 am Institut für Veterinär-Epidemiologie und Biometrie der Freien Universität Berlin von Dr. Johanna Kersebohm durchgeführt, welche die Ergebnisse in ihrer Dissertation verarbeitete. Ziel war vor allen Dingen, Arbeitszeiten und Einkommen sowie die damit verbundene Zufriedenheit praktizierender Tiermediziner in Deutschland zu untersuchen. Die Antworten von 1930 Praktikern wurden unter anderem verglichen mit einer Studie aus dem Jahr 2006.

Für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen angestellter TierärztInnen setzt sich seit 2016 gezielt der Bund angestellter Tierärzte e.V. (BaT) ein. Dem ersten reinen Arbeitnehmerverband geht es vor allem um die Einhaltung des geltenden Rechts und eine angemessene Vergütung. Auf Arbeitgeberseite gründete sich Anfang 2019 der Verbund unabhängiger Kleintierkliniken (VUK), der sich im Juli zum ersten Mal mit dem BaT traf, um gemeinsam Verbesserungen der Arbeitsbedingungen Angestellter zu erzielen. Darüber hinaus hat der VUK gemeinsam mit dem Bundesverband der Veterinärmedizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvvd) Qualitätsstandards für Praktika und die Vermittlung von „First Day Skills“ erarbeitet.

 

Immer noch zu hohe Arbeitszeiten

Durch das Arbeitsschutzgesetz wird die wöchentliche Arbeitszeit von Angestellten auf 48 Stunden begrenzt und darf zwar bei Not- und Bereitschaftsdiensten ausnahmsweise bis zu 60 Stunden betragen, jedoch nur bei dementsprechend folgendem Ausgleich. Eine Arbeitszeiterfassung ist inzwischen ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben.

Berufsbedingt arbeiten Tiermediziner jedoch signifikant länger als vergleichbare Berufsgruppen in Deutschland. So liegt laut der Studie von Kersebohm die Wochenarbeitszeit von TierärztInnen in Vollzeit bei durchschnittlich 50 Stunden. Bei angestellten TierärztInnen werden Not- und Bereitschaftsdienste meist über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet. Bei den in Vollzeit angestellten Praktikern arbeiten 90% wesentlich mehr als vertraglich vereinbart, 47% arbeiten länger als gesetzlich erlaubt. Bei der Umfrage des bpt gaben 36% der angestellten TierärztInnen an, 50-140 Wochenstunden zu arbeiten. Leider ist deutlich, dass unter den momentanen äußeren Bedingungen eine Verbesserung der Arbeitszeiten unweigerlich eine Verschärfung der Notdienstsituation nach sich ziehen wird.

 

Bezüglich der Notdienstproblematik wurde Anfang November endlich ein Gesetzesentwurf für die dringend notwendige überarbeitete Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) im Bundeskabinett verabschiedet. Die höheren Gebührensätze der GOT-Notdienst-Novelle werden zwar sicherlich helfen, Not- und Bereitschaftsdienste besser zu entlohnen, doch im Vergleich zu Nachbarländern hat die Einkommenssituation von TierärztInnen noch immer Aufholbedarf. Die Preise in der Praxis sind häufig nicht kostendeckend, sodass eine weitere Anpassung der GOT notwendig ist, um Stundenlöhne auch für angestellte TierärztInnen auf ein höheres Niveau zu heben.

 

Bezahlung lässt deutlich Spielraum nach oben

Aktuelle Gehaltsempfehlungen der Verbände variieren stark. Während zum Beispiel der bpt bei einer 40-Stunden-Woche ein Mindest-Einstiegsgehalt von 2420,- Euro empfiehlt, schlägt die Bundestierärztekammer e.V. (BTK) ein Minimum von 3130,- Euro vor, und der BaT sogar 3500,- Euro. Im fünften Jahr nach Berufseinstieg liegen die empfohlenen Mindest-Gehälter je nach Zusatzqualifikationen beim bpt zwischen 3217,- und 3860,- Euro, bei der BTK zwischen 5195,- und 6493,- Euro und beim BaT zwischen 4644,- und 6364,- Euro.

Zu 44% wird das Gehalt laut bpt-Umfrage offensichtlich ohne Anlehnung an Mindestempfehlungen frei ausgehandelt. Deutlich wurde außerdem, dass die Gehälter relativ weit auseinander liegen. So gab es zwar einen kleinen Prozentsatz von relativ hohen Gehältern, demgegenüber standen jedoch auch in einigen Fällen Unterschreitungen der Mindestempfehlungen des bpt. Gerade Internships werden offensichtlich noch immer teilweise als Argument für Arbeitsverhältnisse unter dem Mindestlohnbereich missbraucht. Des Weiteren gaben nur 41% der Befragten an, für Not- und Bereitschaftsdienste einen Zuschlag zu erhalten.

 

Auch die Studie von Kersebohm ergab teilweise Mindestlohnunterschreitungen, insbesondere bei Berufsanfängern und in Universitätskliniken. Im Durchschnitt lag der Bruttostundenlohn für in Vollzeit angestellte Tierärztinnen bei 13,- Euro, für Tierärzte bei 14,- Euro. In Teilzeit lag der Bruttostundenlohn für Tierärztinnen bei 16,- Euro, für Tierärzte bei 18,- Euro. Seit 2006 hat sich das Gehalt angestellter Tiermediziner insgesamt etwas verbessert, es liegt jedoch signifikant unter dem Durchschnittsgehalt gleichqualifizierter anderer angestellter Akademiker.

 

Zufriedenheitsfaktoren und Möglichkeiten zur Veränderung

Geringe Gehälter und hohe Wochenarbeitszeiten führen dazu, dass angestellte, praktische TierärztInnen im Vergleich zu anderen Akademikern unzufriedener in ihrem Beruf sind. 36% der Angestellten gaben in der Umfrage von Kersebohm an, sie würden ihren Beruf nicht erneut wählen. Zufriedenheitsfaktoren sind neben Stress und Unterbezahlung auch fehlende Anerkennung sowie ein schlechtes Arbeitsklima.

Pferdepraktiker hatten besonders lange und ungünstige Arbeitszeiten und waren dementsprechend mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf am unzufriedensten. Kleintierpraktiker hingegen waren mit ihren Arbeitszeiten deutlich zufriedener, wobei hier die Teilzeitarbeit auch stärker vertreten war. Einkommen und Entwicklungsmöglichkeiten wurden von Nutztierpraktikern am besten eingeschätzt.

Insgesamt lag die Zufriedenheit bei Angestellten in Praxen höher als bei Angestellten in Kliniken. Letztere hatten längere Arbeitszeiten und waren häufiger mit ihren Vorgesetzten unzufrieden. Am schlechtesten schnitten Universitätskliniken aufgrund der geringen Bezahlung ab.

 

Zur Steigerung der Zufriedenzeit wären in erster Linie folgende Punkte zu berücksichtigen: Insbesondere im Hinblick auf die Feminisierung des Berufes muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dringend miteinbezogen werden. Wochenarbeitszeiten müssen reduziert und das Einkommen erhöht werden, Arbeitsklima und Vorgesetzten-Kommunikation müssen verbessert werden.

Beispielsweise wäre eine Einkommenserhöhung möglich durch die kontinuierliche Anpassung kostendeckender Preise, eine Anhebung der GOT und eine verpflichtende Tierkrankenversicherung für Haustierbesitzer. Das Arbeitsklima lässt sich durch qualifizierte Mitarbeiterführung, gute Kommunikation und partizipative Entscheidungen verbessern. Tiermediziner sollten in Zukunft im Studium zusätzlich Kompetenzen in Unternehmensführung und Betriebsmanagement erwerben.

 

Bis alle diese Bemühungen Früchte tragen, ist es jedoch noch ein weiter Weg. Berufseinsteiger müssen sich also wohl noch in näherer Zukunft damit arrangieren, dass die Tiermedizin auch nach dem Studium kein Zuckerschlecken ist. Angesichts der Berufswirklichkeit wäre die Forderung verschiedener Verbände nach einem verpflichtenden Praktikum vor Beginn des Studiums außerdem ernsthaft zu überprüfen.

Positiv ist zu werten, dass sich auf Seiten der Arbeitgeber in den letzten Jahren einiges bewegt hat. Sicherlich gibt es immer noch schwarze Schafe, doch viele Arbeitgeber bemühen sich ehrlich darum, qualifizierten Nachwuchs zu bekommen und zu halten. Dies lässt sich auch aus den Stellenanzeigen ablesen, in denen Arbeitgeber zunehmend mit fairen Gehältern und guten Arbeitszeiten werben.

 

 

Autorin: Johanna Schmidbauer, Veterinärjournalistin

Privatfoto

 

Johanna Schmidbauer ist am Bodensee aufgewachsen und hat im Jahr 2000 das Tiermedizinstudium in Gießen abgeschlossen. Während des Studiums entdeckte sie, dass ihr das Behandeln von Wortgebilden noch mehr Freude bereitet als das Verarzten tierischer Patienten. Die Fachjournalistin schreibt als freie Autorin seit 2018 Fachbeiträge für Vets-online.de, dem Fachkreiseportal für Tierärzte.

 

 

 

 

Quellen:

  • Kersebohm, J.: Praktiker im Wandel: Untersuchung der Arbeitsbedingungen und Zufriedenheiten praktizierender Tiermediziner in Deutschland (2016), Dissertation Freie Universität Berlin 2018
  • Schimmel, U.: Tut sich da was? Umfrage zu den Arbeitsbedingungen angestellter Tierärzte, Bundesverband Praktizierender Tierärzte bpt-info 10/19 (S. 8-9)
  • Gehaltsempfehlungen der Bundestierärztekammer e.V. (BTK): Beschluss der Delegiertenversammlung der BTK vom November 2010 – aktualisiert durch Beschluss der Delegiertenversammlung 17. März 2018 (www.bundestieraerztekammer.de)
  • Gehaltsempfehlungen des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte (bpt): Vergütungsmodelle für angestellte Tierärztinnen und Tierärzte 19.10.2017, Mindestgehaltsempfehlungen für langfristig angestellte Tierärztinnen und Tierärzte 17.10.2019 (www.tieraerzteverband.de)
  • Gehaltsempfehlungen des Bundes angestellter Tierärzte e.V. (BaT): BaT Standards für Arbeitsverhältnisse 11.01.2018 (www.bundangestelltertieraerzte.de)
  • Verbund unabhängiger Kleintierkliniken (VUK) (www.vuk-vet.de) (Abruf November 2019)

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Dieser Beitrag wurde zur Verfügung gestellt von vets-online.de dem exklusiven, kostenlosen Online-Portal für Tierärzte und Tiermedizin-Studenten. Auf vets-online.de finden Tiermediziner Fachbeiträge, Quizze, Wissenswertes und Aktuelles rund um Kleintiere, Pferde, Nutztiere sowie aus Politik und Praxis. Die Community bietet Kollegen zudem eine geschützte Plattform zum fachlichen Austausch. Job oder Fortbildung gesucht? In der Jobbörse und im Veranstaltungskalender von vets-online.de werden Tierärzte fündig!

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