Das Sommerekzem: Wichtigste allergische Erkrankung des Pferdes
erstellt am 12. November 2023
Das Sommerekzem ist die häufigste allergische Erkrankung bei Pferden und die klinische Ausprägung variiert stark zwischen den betroffenen Tieren. Das Sommerekzem ist für die Pferde oft sehr belastend und bringt die Besitzer:innen an ihre Grenzen, weil seine Behandlung nicht selten frustrierend und aufwändig ist.
Wir haben Ihnen im Folgenden alle wichtigen Informationen zur Ätiologie, Pathogenese und Diagnostik des Sommerekzems zusammengestellt. Auch Im Bereich der Therapie hat die Forschung viel auf den Weg gebracht, was Hoffnung für die Zukunft macht.
Sommerekzem: Basisfakten
- Das Sommerekzem ist eine Typ-I-Hypersensitivi- tätsreaktion von Pferden gegen den Speichel von Culicoides-Mücken (Gnitzen, Kriebelmücken). Es kommt zu starkem Juckreiz, Hautveränderungen und zur Einschränkung der Lebensqualität betroffener Pferde.
- Die Prävalenz des Sommerekzems variiert weltweit extrem. Sie liegt in Deutschland derzeit bei etwa 37% und ist lokal assoziiert mit dem Vorkommen der Gnitzen.
- Andere Bezeichnungen für das Sommerekzem sind: Sweet Itch, Queensland Itch, Insect bite hypersensitivity (IBH), Culicoides Hypersensitivität (CH).
Welche Pferde sind von Sommerekzem betroffen?
Als die Krankheit bekannt wurde, betraf sie fast ausschließlich importierte Islandpferde. Deren Immunsystem wurde in der neuen Heimat erstmalig mit Culicoides-Speichel konfrontiert – auf Island gibt es keine Kriebelmücken. Für Islandpferde gilt auch heute noch, dass ihr Alter beim Export relevant ist: Je jünger die Tiere bei der Ausfuhr sind, desto geringer ist das Risiko für das Auftreten einer Ekzem-Erkrankung. Heutzutage zeigt sich das Sommerekzem bei Pferden und Ponys aller Rassen, wobei Robustrassen sowie importiere Pferde aus z. B. Spanien häufiger betroffen zu sein scheinen. In aller Regel tritt es dabei als saisonale Erkrankung in den warmen Monaten auf (folgend der Ätiologie). Mittlerweile werden aber auch Fälle von ganzjährigen Erkrankungen gesehen.
Pathogenese des Sommerekzems
In den vergangenen Jahrzehnten wurde intensiv an Pathogenese und
Therapie des Sommerekzems geforscht. Nach dem derzeitigen
Kenntnisstand sind die Culicoides-Mücken als Hauptauslöser zu
sehen. Im Rahmen der allergischen Reaktion vermitteln
IgE-Antikörper eine Degranulation von Mastzellen und basophilen
Granulozyten. Außerdem sind T-Zellen und eosinophile Granulozyten
an der Befeuerung des Entzündungsgeschehens beteiligt. Eine T-Zell
vermittelte Hypersensitivitätsreaktion-Typ-IV wird ebenfalls
diskutiert.
In den Fokus gerückt sind zudem Interleukine, insbesondere IL-31:
Es vermittelt Juckreiz direkt an das Nervensystem, völlig
unabhängig von Histamin. In der Haut von an Sommerekzem erkrankten
Pferden fand es sich direkt in den Läsionen (Olomski et al, 2020,
Citas et al, 2020).
Wie äußert sich ein Sommerekzem beim Pferd?
Das alles dominierende Hauptsymptom ist hochgradiger Juckreiz. Primärläsionen werden selten gesehen, da starkes Kratzen und Scheuern schnell zu sekundären Veränderungen führen.
- Papeln
- Vesikel
- Rötungen
- Ödeme
- Verdickung der Haut
- Schuppen
Häufig kommt es zu Sekundärinfektionen mit Bakterien, Pilzen
oder Parasiten.
Klassische Lokalisationen sind Mähnenkamm und Schweifrübe, es
können aber auch Unterbauch und -brust, Kopf, Präputium und Euter
betroffen sein.
Diagnose: Ist es tatsächlich Sommerekzem?
Die Diagnose erfolgt meist durch Anamnese und Ausschluss anderer
Ursachen. Wenn die Hautveränderungen saisonal auftreten und durch
Allergenvermeidung besser werden, etwa durch Eindecken, Aufstallen,
etc., liegt der Verdacht auf ein Sommerekzem sehr nahe. Mittels
mikrobiologischer Untersuchungen werden Bakterien und Pilze als
Auslöser ausgeschlossen.
Eine histologische Untersuchung kann den Allergieverdacht
bestätigen, unterscheidet aber nicht zwischen dem Sommerekzem und
einer anderen allergischen Hauterkrankung.
Serologische Allergietests eigenen sich bisher nicht gut für eine
Sommerekzem-Diagnostik, da ihre Spezifität und Sensitivität in
Studien nicht überzeugen konnten. Auch variieren diese Werte
zwischen den einzelnen Chargen. Intradermaltests sind sehr anfällig
für Fehlanwendungen und weisen eine eher schlechte
Reproduzierbarkeit auf. Häufig müssen die Pferde dafür zudem zu
einem entsprechenden Spezialisten, weshalb die Compliance bei den
Besitzer:innen eher gering ist.
Wirklich gute Tests benötigen ein Hauptallergen, auf das die
meisten Pferde reagieren. Dies ist schwierig zu finden bei über 700
Culicoides-Arten, von denen 130 blutsaugend sind. Außerdem handelt
es sich bei Insektenspeichel um eine komplexe Mischung.
Für die Zukunft besteht wahrscheinlich die Möglichkeit
spezifischerer Testmethoden: In Erprobung befindet sich z. B. ein
PCR-Test, der die Exprimierung von Entzündungsmediatoren
analysiert, was die Unterscheidung zwischen Sommerekzem und anderen
allergischen Dermatitiden erlauben würde.
Differenzialdiagnostisch in Betracht ziehen sollte man:
- Ektoparasitenbefall (Haarlinge, Läuse, Milben)
- Pilzbefall
- Endoparasitenbefall (Oxyuris equi)
- Sommerräude (Parafilaria multipapilosa)
- Streifensommerekzem (Gasterophilus inermis)
- Sommerwunden (kutane Habronematidose)
- Futtermittelallergie
Symptomatische Therapie
Auf symptomatischer Ebene kann viel für die erkrankten Pferde getan werden:
Mechanischer und chemischer Insektenschutz:
Die erste und einfachste Maßnahme: Ekzemerdecken und Fliegenmasken, Aufstallen während extremer Flugperioden (Morgen- und Abenddämmerung). Außerdem sollte mit Repellentien gearbeitet werden.
Manchen Pferde verhelfen auch sommerliche „Kuraufenthalte“ an der Nordsee zu rascher Heilung und einem deutlich geringeren Leidensdruck, denn dort finden sich wenig bis keine Culicoides-Mücken. Die Haut kann in Ruhe abheilen, die Pferde kommen aus dem Circulus vitiosus aus Juckreiz und Schubbern heraus und bei Rückkehr in die Heimat kann der Besitzer mit einem ganz anderen Hautstatus die Behandlung weiterführen.
Topische Behandlung der Läsionen:
Reinigung
Reinigung mit kaltem Wasser sorgt für Vasokonstriktion, Kühlung und damit Linderung des Juckreizes. Spezielle Shampoos oder Gele lindern zusätzlich, können Sekundärinfektionen verhindern und enthalten Pflegestoffe. Aber cave: Zu viel Waschen greift die Hautbarriere an, die ohnehin schon gestört ist!
Pflege & regelmäßige Behandlung
Es gibt viele Produkte (Öle, Cremes und Puder), die für den Gebrauch am Ekzemerpferd erhältlich sind. Sie enthalten neben Pflegestoffen teilweise auch ätherische Öle. Nicht alle beworbenen Wirkungen sind wissenschaftlich belegt. Halter:innen schwer betroffener Pferde sind oft bereit, sehr viel auszuprobieren, um die starken Symptome zu lindern. Zu diesen Versuchen zählen auch Essigwasser oder Effektive Mikroorganismen.
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Themengebiete
Autor:innen
Dr. med. vet. Bianca WiebuschTierärztin
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