Interview mit Ass.-Prof. Dr. med. vet. Michaela Gumpenberger
erstellt am 9. März 2022
Teleradiologie - auch in der Exotenmedizin ein wichtiges Instrument
Diplovets: Wie hilft Telemedizin durch Spezialisten aus Ihrer Sicht den behandelnden Tierärzten?
Dr. Michaela Gumpenberger: Eine zweite Meinung hilft immer, da
vier Augen mehr sehen als zwei. Selbst KollegInnen mit fundiertem
Wissen in der Bildgebenden Diagnostik schätzen z.B. bei
komplizierteren Fällen eine zweite Meinung.
Für KollegInnen, die sich nicht auf die Bildgebung spezialisiert
haben, ist es sicherlich eine Entlastung, die Befundung in
erfahrenere Hände abzugeben, um dann mit der Diagnose den Patienten
möglichst erfolgreich zu betreuen. Weiters kann es durch z.B.
Urlaub oder Krankheit zu Personalmangel kommen. Damit eine
Praxis/Klinik den Betrieb möglichst störungsfrei weiterführen kann,
hilft Telemedizin unabhängig von Ort und Zeit.
Exoten bilden dabei keine Ausnahme. Meist ist es so, dass auf
Reptilien- oder Vogelmedizin spezialisierte Tierärzte rar sind. Da
Radiologen mit diesem Spezialwissen noch rarer sind, müssen sich
diese Kollegen in der Bildgebenden Diagnostik meist selbst
weiterbilden. DiploVets bemüht sich, hier Abhilfe zu schaffen
:-)
Diplovets: Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile der Telemedizin im Bereich der Reptilien- bzw. Exotenmedizin?
Dr. Michaela Gumpenberger: Gerade bei Schildkröten ist die Bildgebung eine unverzichtbare Stütze zur korrekten Diagnose von Erkrankungen. Da diese Reptilien quasi in einer knöchernen Box leben, sind sie einer klassischen klinischen Untersuchung (Palpation, Auskultation, Pulsmessung…) weniger zugänglich. Schweratmigkeit kann z.B. nicht nur durch eine primäre Erkrankung des Atmungstraktes, sondern durchaus auch durch eine Lungenkompression (z.B. durch Harnstau oder Obstipation) hervorgerufen werden. Ohne ergänzender Bildgebung ist hier eine Fehldiagnose vorprogrammiert.
Selbst erfahrene Exotenpraktiker sind nicht immer sattelfest in der Bildinterpretation. Während Ultraschallbilder oder -videos nicht sehr gut zum Einholen einer Zweitmeinung geeignet sind, stellen Röntgen- und CT Bilder ausgezeichnete Medien dar. Es sollte auch nicht unterschätzt werden, dass wir bei „Exotenmedizin“ von tausenden verschiedenen Arten sprechen. Eine Person kann hier niemals alle tierartspezifischen Eigenheiten oder anatomischen Varianten kennen!
Bei Hunden oder Katzen hat man es „nur“ mit verschiedenen Rassen zu tun - und selbst diese zeigen eine unglaubliche Vielfalt an Varianten (man denke nur an Brachyzephale, die einen eigenen „Krankheitspool“ haben.). Via Telemedizin können mehrere Spezialisten weltweit gleichzeitig konsultiert werden.
Diplovets: Was benötigen Sie für eine fundierte Auswertung von Befunden?
Dr. Michaela Gumpenberger: Möglichst korrekte Nennung der Species. Also nicht nur „Schildkröte“, sondern „Maurische Landschildkröte“. Da es sich um verschiedene Arten handelt, ist der physiologische Status unterschiedlich (in diesem Fall z.B. Eizahl, Schalendichte, Ernährung,…).
In der Anamnese ist es hilfreich, wenn auf weitere vorhandene Tiere eingegangen wird. Die Gruppenzusammensetzung bei der Haltung mehrerer Tiere
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