Fachbeitrag
Ein Beitrag von  Tierärztin Julia Brüner,  DiploVets (Vet-X-Perts GmbH) auf VetStage

Traumatologie: Primärmanagement des polytraumatisierten Patienten

erstellt am 19. Juli 2022

Hinweis: VetStage ist nicht für den Inhalt verantwortlich. Bitte wende dich bei Rückfragen direkt an den Verfasser.

Primärmanagement - was ist zu tun?

Ursachen für Polytrauma sind in der Regel

  • Verkehrsunfälle
  • Stürze aus großen Höhen
  • Beißvorfälle

Alle können mit multiplen, lebensbedrohlichen Verletzungen einhergehen.

Wird ein polytraumatischer Patient in der Praxis oder Klinik vorstellig, lautet der Grundsatz jeder Erstversorgung dabei: Priorität hat die Stabilisierung der kardiovaskulären sowie respiratorischen Funktionen des Patienten.
Denn: So offensichtlich hochgradige Wunden oder Frakturen in unser Auge springen, das Schockgeschehen und mögliche respiratorische Defizite stellen i.d.R. den eigentlichen lebensbedrohlichen Zustand dar.

Wichtig ist, dass auch alle TFA´s mit diesem Grundsatz vertraut sind, so dass sie im Falle des Falles vor Eintreffen des Tierarztes mit den entsprechenden Primärmaßnahmen bereits beginnen können (bspw. Venenkatheter, Infusion, Beatmung).

Klinische Erstuntersuchung:

Der Umfang wird meist auf die Punkte Herz-Kreislauf - Atmung - Körpertemperatur (inkl. Akren) reduziert, eine ausführliche Untersuchung ist häufig erst beim stabilisierten Patienten möglich.

Orthopädische Notfälle sind insgesamt selten, jedoch sollte beim Handling und auf Grund der Anamnese stets eine mögliche Wirbelfraktur- bzw. Luxation im Hinterkopf behalten werden.

Zudem beinhaltet die Untersuchung eine abgekürzte neurologische Untersuchung mit der Fragestellung: Liegt ein Schädel-Hirn-Trauma vor? → Beurteilung und Prognose z.B. mit Hilfe der modifizierten Glasgow-Coma-Scale (Leipzig).

Erste diagnostische Schritte:

  • Röntgenaufnahmen Abdomen (z.B. zur Darstellung Zwerchfellruptur, Hämoabdomen) und Thorax (z.B. Pneumothorax, Lungenkontusionen) sollten möglichst immer aufgenommen werden      
  • Spätestens bei Verdacht auf Organrupturen oder innere Blutungen sollte eine ultrasonographische Untersuchung erfolgen           

→ Die bildgebende Diagnostik sollte so früh wie möglich stattfinden, allerdings richtet sich der Zeitpunkt stark nach Zustand und Stabilität des Patienten. Die medikamentöse Erstversorgung hat i.d.R.   Vorrang.

  • Überprüfung der Harnblasenstabilität (Röntgen, Palpation, Beobachtung des Harnabsatzes). Im Zweifelsfall kann eine Ultraschalluntersuchung oder ein Kontraströntgen Aufschluss geben.
  • Labor: Minimum kleines Hämatogramm. Die anschließende wiederholte Beurteilung des Hämatokritwertes kann Hinweise auf innere Blutungen geben (Blutungsanämie). Wichtig zu bedenken sind mögliche große innere Blutverluste durch Frakturen im Beckenbereich.
  • Im Optimalfall wird darüber hinaus der Säure-Base-Status erstellt, um eine metabolische Azidose (Laktatazidose) frühzeitig zu erkennen. Ein Blutchemie-Profil eignet sich vor allem für die Erstellung des Status quo und Feststellung von Veränderungen der Organwerte im Verlaufe der nächsten Tage.

Erste Therapieschritte:

Volumensubstitution

Erster und wichtigster Schritt. Die Stabilisierung des hypovolämischen bzw. hämorrhagischen Schocks erfolgt wenn möglich über einen venösen Zugang.
Ist dies nicht möglich, so kann alternativ intraossär infundiert werden - mittels Spinalkanüle wird eine Verstopfung durch eintretende Knochensubstanz vermieden. Die Verweildauer eines intraossären Zugangs sollte möglichst steril und kurz gehalten werden, um das Risiko einer lokalen Infektion (Osteomyelitis) zu reduzieren.
Subkutane Infusionen zur Schocktherapie eignen sich nicht.

Als Standard-Infusionslösung empfiehlt sich der Einsatz von Vollelektrolytlösungen, diese wirken gleichzeitig auch leichten metabolischen Azidosen entgegen.
Bei Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas muss ggf. auf hypertone und/oder Mannitolinfusionen umgestiegen werden (CAVE bei hgr. Dehydratation).

Ist der Patient hypothermisch (Katzen!), sollte möglichst ein medizinischem Infusionswärmer eingesetzt und die Menge der Infusionslösung/Zeiteinheit am unteren Minimum gehalten werden.

Behandlung bei Pneumothorax

Bei einhergehender Dyspnoe sollte zunächst punktiert und der Patient anschließend in ruhiger Umgebung in eine Sauerstoffbox gesetzt werden.

Thorakozentese: Falls trotz mehrmaliger Punktion Pneumothorax mit Dyspnoe wiederkehrt bzw. Punktion erfolglos bleibt.
→ Handelt es sich um einen offenen Pneumothorax sollte die zeitnahe Versorgung des Wundgebiets angestrebt werden.

Stoppen starker (arterieller) Blutungen

Ggf. durch Druckverbände oder Anlegen eines Stauschlauches an den Extremitäten. Wenn vorhanden, Einsatz von speziellem chirurgischen Material wie Esmarch-Bandagen.

Initiale medikamentöse Therapie

  • Antibiotika: Die frühzeitige Gabe, möglichst i.v., ist bei offenen Frakturen angezeigt. Aminoglykoside sind zu vermeiden (Nephrotoxizität und Verminderung der Mikrozirkulation).
  • Analgetika: Neben der eigentlichen Schmerzbehandlung wichtig zur Bekämpfung des Schockgeschehens. Nebenbei erhöht ein gutes Schmerzmanagement in vielen Fällen auch die Umgänglichkeit des Patienten. Metamizol und Opioide sollten bevorzugt eingesetzt werden. Bei Schädel-Hirn-Traumata muss der Einsatz von Opioiden auf Grund der atemdepressiven Wirkung individuell abgewogen werden.
  • NSAID´s sind im Schock kontraindiziert, da sie die bereits bestehende Minderdurchblutung der Nieren noch verstärken und bei Einsatz ein akutes Nierenversagen provozieren können.

Nach Abschluss der Erstversorgung und Stabilisierung des Patienten erfolgen die weitergehende orthopädische sowie neurologische Untersuchung sowie weitere diagnostische Schritte.

Anmerkung der Autorin: Dieser Artikel soll Ihnen einen einfachen Überblick über die Erstversorgung des Polytraumapatienten geben. Aufgrund der Komplexität des Themas besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Literaturverzeichnis: Auf Anfrage

Autorin des Artikels:

Tierärztin med. vet. Julia Brüner

 

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Autor:innen

Tierärztin Julia Brüner

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