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Ein Beitrag von  Über unsere Interview-Kandidatin Yvonne Welpmann: 

1999 - 2004 TFA Tierklinik Bielefeld
2004 – 2010 Studium an der LMU München
2011 - 2013 wissenschaftliche Assistentin in der neurologischen Abteilung der TiHo Hannover
2010 – 2013 Assistentin in der Tierklinik Bielefeld
2014 – 2019 Assistentin in der Tierklinik Dümmerland
Seit 08/2019 Assistentin in der Tierklinik Bielefeld
Seit 09/2019 Fachtierärztin für Kleintiere
Seit 2020 General Practitioner Certificate Neurologie,  Anicura Tierklinik Bielefeld auf VetStage

Über Fluch und Segen: Warum wir den tierärztlichen Notdienst aufrechterhalten?

erstellt am 14. Juni 2023

Hinweis: VetStage ist nicht für den Inhalt verantwortlich. Bitte wende dich bei Rückfragen direkt an den Verfasser.

Die Notdienstkrise spitzt sich immer weiter zu. Immer mehr Kliniken geben ihren Status ab und können den Notdienst personell nicht mehr stemmen. Doch auch Hintergründe sind nicht nur dem Fachkräftemangel zuzuschreiben. Auch Arbeitsbedingungen, das Arbeitszeitgesetz und demographische Faktoren spielen mit rein. Es ist eine schwierige Zeit in der die tierärztliche Notdienst-Abdeckung auf dem Prüfstand steht. Um das Thema näher zu beleuchten hat VetStage Yvonne Welpmann dazu befragt. Yvonne begann als TFA in der Tierklinik Bielefeld, daraufhin studierte sie an der LMU Tiermedizin, absolvierte ihren Fachtierarzt für Kleintiere und leitet mittlerweile die Anicura Bielefeld - eine Klinik, die den Notdienst noch weiter aufrecht erhält. Wie die Anicura Bielefeld damit umgeht und Yvonnes Impulse zur aktuellen Situation könnt ihr im folgenden Beitrag erfahren:

Aktuell bietet die Anicura Tierklinik Bielefeld einen umfassenden Notdienst an - im Umkreis wird die tierärztliche Notdienstabdeckung immer dünner . Was bedeutet dies für Euch und euer Team? 

Die geringe Notdienstbereitschaft im Allgemeinen bedeutet für uns als Klinik deutlich mehr Arbeit, zumindest in den Nächten und am Wochenende. Dies war, sagen wir, aufgrund der regionalen Gegebenheiten nicht verwunderlich. Unter der Woche hat sich spürbar nicht so viel geändert, da auch der Betrieb in den Nachbarkliniken wie üblich weiter läuft. In Absprache übernehmen die regionalen Kolleg:innen wie z.B. Recklinghausen auch Fälle, wenn zum Beispiel unsere Station durch die Aufnahme von Patienten am Wochenende voll ist. Hier sind unsere stationären Kapazitäten einfach begrenzt, sodass wir gezwungen sind, im Umkreis eine Patientenverteilung vorzunehmen. Das klappt bisher ganz gut. Grundsätzlich ist die Notdienst-Situation natürlich eine zu erwartende, aber gleichzeitig schon traurige Tendenz.

Um der veränderten Situation gerecht zu werden, haben wir das Triagieren von ambulant vorgestellten Fällen weiter ausgebaut. Patientenbesitzer:innen werden mittlerweile ausführlicher informiert, dass es nicht der Reihe nach geht, sondern nach Dringlichkeit des Falles und in welcher Kategorie sich ihr Tier befindet. Dies führt dazu, dass der Patient mit Zeckenbiss und minimalem Durchfall teilweise 3-4 Stunden warten muss. Seitdem wir diese Triage deutlich kommunizieren, werden die Beschwerden über die Wartezeiten weniger, was tatsächlich einen angenehmen Nebeneffekt darstellt. Natürlich gibt es hin und wieder Bewertungen über Google oder Facebook, die behaupten “Es kamen noch drei vor uns dran, die überhaupt gar nicht so schlimm aussahen wie meiner.” Von diesen Einzelfällen sollte man sich nicht beirren lassen, denn Entscheidungen müssen getroffen werden. Die Subjektivität und das mangelnde Einschätzungsvermögen der Patientenbesitzer:innen spielen immer mit rein. Ich sage meinem Team immer: “Vertraut auf eure Einschätzung und euer Know-How. Ihr seid die Expert:innen.” Dennoch, seitdem die regionale Notdienstversorgung so angespannt ist, dass auch Tierbesitzer:innen merken, wie schwer es ist, im Notfall Hilfe zu bekommen, ist meines Erachtens auch das Beschweren wirklich weniger geworden.  

Wie kam es zu der Entscheidung, weiterzumachen? Habt ihr Team-intern die ganze Thematik des Notdienstes und der Notdienst Kommunikation besprochen?

Als es auch bei uns in der Klinik enger wurde und ebenso die Entscheidung der Anicura Ahlen feststand, dass sie den Notdienst aufgeben, haben wir teamintern eine Umfrage gestartet, ob wir den Notdienst weiterführen oder nicht. Dabei haben sich ca. 75% des Teams dafür ausgesprochen, den Notdienst erst mal noch weiter aufrechtzuerhalten. Hauptsächlich aus den Gedanken heraus, dass eine Magendrehung es gegebenenfalls nicht bis nach Recklinghausen oder Posthausen schaffen würde. Die Beweggründe unseres Teams, sich dafür zu entscheiden, waren eindeutig dem Tierwohl zuzuschreiben und dass sich der Großteil ethisch verpflichtet fühlt, den Notdienst aufrechtzuerhalten. 

Ich persönlich bin diesbezüglich sehr dankbar, denn unter dem Gesichtspunkt, als Tierärztin Tieren in Not helfen zu wollen, weiß ich grundsätzlich, dass es in Kliniken wie unserer mit unregelmäßigen Arbeitszeiten einhergeht. Natürlich versuchen auch wir die Schichtplanung und damit den Notdienst so aufzuteilen, dass man eben nicht das vierte Wochenende in Folge im Notdienst arbeitet, denn da geht dieser Gedanke nachvollziehbarerweise schon mal verloren. Wenn man dann zusätzlich aufgrund der zusätzlichen Belastung des coronabedingten Haustier Booms, den tendenziell gestiegenen Ansprüchen der Besitzer:innen und der eigenen körperlichen und womöglich auch psychischen Überlastung sagt: “So ich kann das nicht mehr”, kann ich das auch völlig nachvollziehen. 

Deshalb versuchen wir intern so gut wie möglich, die Bedingungen weiterhin so zu gestalten, dass wir so lange wie möglich den Notdienst aufrechterhalten können.

Es gibt anscheinend immer noch Kliniken und dort etablierte Arbeitszeitmodelle, in denen Nachtdienst als Bereitschaftsdienst ausgelegt wird, für den es keine Arbeitszeit und auch kein Geld gibt. Da frage ich mich ehrlicherweise, wie das so lange gut gehen konnte. Die Zufriedenheit des Teams ist doch so wichtig! Und auch der Zusammenhalt, den ich in meinem Team immer wieder spüre. Wenn ich ab und zu mal höre: “Wir sind ganz schön froh, dich als Chefin zu haben und es ist ganz schön schön in Bielefeld zu arbeiten", bestärkt es mich darin weiterzumachen. Die Mitarbeitenden Zufriedenheit ist einfach das A und O. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der niemals aufhört.

Doch die Überlastung auf Dauer zu kompensieren ist auch keine Lösung, denn wir können ja nicht davon ausgehen, dass sich die Situation in zwei Monaten wieder entspannt. Wie gesagt, momentan sind wir ganz gut aufgestellt und sortiert, aber anstrengend ist es trotzdem. Wochenenden und Nachtdienste sind nicht vergleichbar mit normalen Wochentagen tagsüber.

Denn die andere Option ist ja eigentlich nur, das System vor die Wand fahren zu lassen. Doch bis sich dann gekümmert wird und eine Lösung gefunden ist: Wo sollen die Tierbesitzer:innen denn bis dahin hingehen? Was sollen sie denn machen?

Die Schichtplanung scheint sich immer schwieriger zu gestalten, um dem Arbeitszeitgesetz gerecht zu werden. Wie geht ihr damit um und welche Regelungen habt ihr in der Anicura Bielefeld getroffen? Habt ihr “eine akzeptable”, vielleicht auch eine kreative Schichtregelung gefunden, die allen Mitarbeitenden gerecht wird/ die Mitarbeitenden zufriedenstellt? 

Genau, wir haben ein Mehrschichtsystem mit verschiedenen Anfangszeiten und Endzeiten. Pro Wochenende brauche ich ungefähr 12-14 Tierärzte:innen, die ich einsetzen muss, um arbeitszeitschutzgesetz-konform die Schichten und Dienste abzudecken. Das heißt allerdings im Umkehrschluss, dass diese 12 Tierärzte:innen in der darauffolgenden Woche eben mindestens 2 Tage nicht zur Verfügung stehen. Bei der aktuellen Personalknappheit ist das wahnsinnig schwierig. 

Damals in meiner Anfangszeit haben wir von Freitagmittag bis Montagmittag unsere Wochenenddienste geleistet. Im Vergleich zu heute waren allerdings auch die Auslastung und das Fallaufkommen definitiv geringer. Zu der Zeit konnten wir ohne Probleme zu dritt das Wochenende abdecken und dann war das Thema für den Monat erledigt. Heute ginge das aufgrund der Gesetzeslage nicht mehr und auch drei Tierärzte:innen reichen nicht mehr. Heißt, ich komme in der Schichtplanung oft zu dem Punkt, dass ich eine:n Tierärzt:in mindestens jedes dritte Wochenende, bei Krankheitsfällen und Urlaubszeiten sogar jedes zweite Wochenende einsetzen muss. 

Der Personalaufwand ist durch den in den letzten Jahren zusätzlichen Anstieg an Haustieren grundsätzlich höher als noch vor der Pandemie. Dennoch bestand auch schon vor der Verschärfung des Arbeitszeitgesetzes die Herausforderung, dass durch den Freizeitausgleich die Tierärzte:innen im alltäglichen Tagesgeschäft fehlen. Durch das Arbeitszeitgesetz ist die Schichtplanung auch unter der Woche sehr gestückelt, sodass es immer schwerer wird, die Ruhezeiten hundertprozentig arbeitszeitschutz-konform durchzuziehen.  

Ein Beispiel: Beim chirurgischen Hintergrunddienst unter der Woche dürfen die Diensthabenden am nächsten Morgen um 08.00 Uhr im OP stehen, wenn die Nacht ohne Einsatz/ Notfall-OP verlaufen ist, was auch nicht ungewöhnlich ist. Wenn allerdings um 05.00 Uhr morgens ein Kaiserschnitt operiert werden muss, dann gelten die 11 Stunden Ruhezeit im Anschluss des Hintergunddienstes. Somit kann am folgenden Tag keine OP geplant werden, da ich vorher nicht weiß, ob eine Not-OP stattfinden wird oder nicht, muss ich diese/n Chirurg:in technisch gesehen aus dem Dienstplan für die nächsten Tage komplett rausnehmen.

Im schlechtesten Fall macht dann die Person, die den Hintergrunddienst in der Chirurgie erfüllt, Minusstunden, weil ich ihn/sie nicht einteilen kann. Wenn ich ihn/sie aber einteile und er/sie reinkommen muss, dann macht diese Person Überstunden und würde gegen die vorgeschriebene Ruhezei

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